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Fettgedruckte Ziffern bedeuten, daß dem Gegenstand ein ganzes Kapitel gewidmet ist. - Durch s. (=siehe) und vgl. (=vergleiche) wird auf andere Stichworte des Verzeichnisses verwiesen. - Die Seitenbezeichnung gibt vielfach nicht den Ort, wo das Stichwort im Text erscheint, sondern den Anfang zusammenhängender Ausführungen über das Stichwort an. Es empfiehlt sich daher, nicht nur die angegebene Seite, sondern den ganzen Abschnitt nachzulesen. A Adel: Entartung 270 Aktiengesellschaften: eine schwere Verfallserscheinung 256. - Alldeutsche Bewegung: in Österreich 102. - Amerika s. Vereinigte Staaten Antisemitismus: falscher (auf religiöser Grundlage) 130 Arbeiter: Fabrikarbeiter 347. - Arier: Kulturbegründer 317. - Außenpolitik, 1. VORKRIEGSPOLITIK: Ziellosigkeit 295. - Autorität: Verächter der A. 34. - Vgl. Staatsautorität B Bauernstand: Grundlage der Nation 151. - Bayerische Volkspartei: marxistenfreundlich 402 Beamtentum des alten Reiches unvergleichlich 308. - Berlin: Ausdruck unserer Zeit 291 Berliner Tagblatt 268 Bethmann-Hollweg, Reichskanzler: Schwäche 301 Bildung: Halbbildung 267 Bismarck: Bündnis mit Österreich 160. - Börse: Internationales B.nkapital 233. - Bolschewismus: in Deutschland 277. Braunau am Inn: Hitlers Geburtsort 1. - Brest-Litowsk s. Friedensverträge Bündnispolitik s. Außenpolitik Bürgertum: Bürgerliche Klassenparteien 190. - Byzantinismus der Wiener Presse 56 C Chamberlain, Houston-Stewart, völkischer Schriftsteller 296 Chauvinismus: Vgl. Nationalerziehung Christlich-soziale Partei im alten Österreich 58, 106, 130. - D Dadaismus: Bolschewismus in der Kunst 283 Demokratie: germanische 99. - Deutsche Arbeiterpartei, Vorläufer der N.S.D.A.P. 236, 388. - Deutscher Schulverein in Österreich 10 Deutsches Reich: Gründung 245 Deutsch-Französischer Krieg 1870/71: Eine Volksausgabe weckt Hitlers Liebe für Krieg und Soldatentum 4 Diktatur des Proletariats: eine jüdische Waffe 357 Doktrinarismus, deutscher 120 f. Dreibund: innere Schwäche 160. - Vgl. Außenpolitik (Bündnispolitik) Drexler, Anton, Ortsgruppenvorsitzender der Deutschen Arbeiterpartei 391, 401 E Ebert, Friedrich, erster Reichspräsident 286 Eduard VII., König von England: Einkreisungspolitik 162 Ehe: Ehefragen 274. - Einjährig-Freiwilligen-Einrichtung des alten Heeres 307 Einkreisungspolitik Eduards VII. 162 Eisner, Kurt, Revolutionsführer in München 226 Elsaß-lothringische Frage vor dem Krieg 297. - England: Staatskunst 158. - Englische Propaganda im Krieg 201 Entdeutschungspolitik im alten Österreich 100 f., 118. - Erbfehler, der deutsche: Mangel an Nationalstolz, "Objektivität" 122 Erziehung. Esperanto: die jüdische Universalsprache F Fabrikarbeiter 347 f. - Vgl. Arbeiter Feder, Gottfried, Pg.: Bekanntschaft Hitlers mit F. 228. - Flottenbaupolitik, falsche 298. - Flugblatt: F.-Propaganda 206 Frankfurter Zeitung 267 Frankreich: Fr.kult der Wiener Weltpresse 58 Franz Ferdinand, österreichischer Thronfolger: Feind des Deutsch- tums 13. - Franz Joseph, österreichischer Kaiser 174 Freimaurerei: jüdisches Instrument 345. - Frick, bayer. Oberamtmann, Staatsminister, Pg. 403 Friedensverträge von Versailles und Brest-Litowsk: Entwaffnung 368 Friedrich der Große 286 Führertum: "Führer" 89 G Geburtenbeschränkung: Mittel gegen Überbevölkerung 144 Gefühl: Triebkraft der Masse Genie und Rasse 321 Geschichte: Erziehung durch G. 11. - Gewerkschaften 48 f. - Goethe und die Juden 341 Großstadt: kulturlose Menschenansiedlung 288. - Grund und Boden: Erwerb von neuem Gr. durch ein Volk 151. H Habsburger: deutschfeindlich 13, 118. - Halbbildung 267 Harrer, erster Vorsitzender der Deutschen Arbeiterpartei (siehe diese) 390, 391, 401 Heer, das alte deutsche: Wert 182, 306. - Hitler: Hohenzollern: Vgl. Friedrich d. Gr., Wilhelm II. Humanität: falsche 279 I Idealismus: sein Wesen 327. - Intelligenz: Bildungshochmut 243. - Internationalisierung der deutschen Wirtschaft durch die Aktien- gesellschaften 257 Italien: Stellung zu Österreich 142. - J Japan: Europäisierung 318. - Jesus 336
Judentum: Gegensatz zum Arier (s. diesen) 329. - K Katholische Kirche: Kath. Geistlichkeit in Österreich und Entdeut- schungspolitik 119, 120. - Kirchen: Vgl. Katholische Kirchen, Religion Kolonialpolitik s. Außenpolitik (deutsche vor dem Kriege) Kolonisation: innere K. als Weg deutscher Vorkriegspolitik 146 Körperliche Ertüchtigung im völkischen Staat s. Erziehung Kriegsschuld Deutschlands 156, 176 Kubismus 283 Kultur: Die ersten K.n 323. - Marxismus kulturzerstörend 69 L Legalität 104, 105 Lesen eine Kunst 36 Los-von-Rom-Bewegung 120. - Ludendorff: Denkschrift 161. - Ludwig III. von Bayern: Gesuch Hitlers an L. 179 Lueger, Dr. Karl, Begründer der Christlich-sozialen Partei (s. diese). M Mädchenerziehung im völkischen Staat. - Vgl. Erziehung Mädchenhandel und Judentum 63 Marx, Karl, Begründer des Marxismus 234 Marxismus: Verkennen 184. - Masse, die breite Masse: Bedeutung für eine Volksbewegung 108, 110, 112, 117. - Massenversammlung: Bedeutung 113, 115. - Mehrheitsprizip: Kritik 95 Moltke, Generalfeldmarschall Graf von, 195 Monarchie: Wert und Bedeutung 259. - München 138. - Hitler in M. 138 Munitionsarbeiterstreik während des Krieges 203, 216, 217 N Nationalerziehung: Mangel an deutscher N. 123. - Nationalisierung: Vorbedingungen für die N. eines Volkes 34, der breiten Masse 370. - Nationalitätenprinzip: Wirkung auf Österreich 76 Nationalsozialismus: Nationalstolz: Gründe des Mangels an N. 31. - O Objektivität, deutsche: Mangel an Nationalbewußtsein 120, 124. - Öffentlich Meinung 92. - Österreich, das alte: Wesen des ö. Staates 134. - Die deutsche Ostmark im Kampf 9. - Organisation: Wesen 326. - Oxenstierna Axel, schwedischer Kanzler 296 P Palm, Johannes, Herausgeber der Schrift "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung", dafür auf Befehl Napoleons in Braunau Parlamentarismus: P. und Marxismus 85. - Partei: Vgl. Marxismus, Nationalismus, Sozialdemokratie, Zentrum Pazifistisch-humane Idee 315 Persönlichkeit: Achtung des Nationalsozialismus vor der P. 387 Pöhner, Pg., Polizeipräsident von München nach der Revolution 403 Polenpolitik 297 Politik: Kunst des Möglichen 230, 295. - Politiker: Aufgabe 229. - Politische Betätigung in der Öffentlichkeit nicht vor dem 30. Lebensjahr Presse: Staat und Presse 264. - Preußen: Beispiel ideeller Staatenbildung 167 Programmatiker: Aufgabe 229. - Verhältnis zum Politiker 229 Proletariat: Anwachsen des P. eine Verfallserscheinung 255, 288. - Propaganda 194 f. - Prostitution und Judentum 63. - Protestantismus und Verteidigung deutscher Belange 123 Protokolle der Weisen von Zion 337 R Rasse: Wert 272. - Rassenstreit: Wesen der 48er Revolution in Österreich Rede s. Wort, gesprochenes Reichstag: vor dem Krieg 296. - Religion: Bedeutung für die Masse 293. - Repington, englischer Ausspruch 251 Republikschutzgesetz 286 Revolution, die deutsche 1918 204. - Revolutionen: Sinn und Zweck 286 Risikogedanke s. Flottenbaupolitik Rußland: Zusammenbruch im Krieg 214. - S S.A. s. Nationalsozialismus Schlageter, Leo, Deutscher Freiheitsheld durch einen Regierungsvertreter an Frankreich verraten 2 Schönerer, Georg von, Begründer der Alldeutschen Los-von-Rom- Bewegung in Österreich 107 f., 120 Schopenhauer, deutscher Philosoph, über die Juden 335 (253) Schulbildung s. Erziehung Schule s. Erziehung Schutzparagraph gegen Syphilis 281 Schutz- und Trutzbund gegen die Juden s. Antisemitismus Sechsundsechziger Krieg; Habsburger Politik danach 102 Skagerrak, Seeschlacht am 300 Sozialdemokratie: Wesen ihrer Lehre 53. - Soziale Fragen: Unsicherheit des Verdienstes und seine Folgen 25. - Sozialistengesetzgebung 189. - Sport: Vgl. Erziehung Staat: Menschenrecht bricht Staatsrecht 105. - Staatsautorität nicht Selbstzweck 104, 309. - "Staatsmann" 87 Stadt im Mittelalter 290. - Sterilisation s. Unfruchtbarmachung Sterneckerbräu, Leiberzimmer: Gründung der Deutschen Arbeiterpartei 237 Stinnes, Großindustrieller 257 Syphilis 269. - Schutzparagraph 281 T Talmud, jüdische Religionslehre 336 Theater: Verfall 284 Tirpitz: Kritik an T. 301 Tuberkulose 269 U Ultimatum, das österreichische an Serbien 174 Unfruchtbarmachung (Sterilisation) Unheilbarer 279 V Verantwortungsgefühl: soziales 29. - Vereinigte Staaten von Amerika, U.S.A.: Wilson 315 Verfallserscheinungen im Vorkriegsdeutschland 169, 254. - Versailles s. Friedensvertrag Versammlungen s. Massenversammlungen "Verwirtschaftung" des deutschen Volkes 257 Volk und Rasse 311 Völkisch: Der Begriff v. zu wenig faßbar 297. - Völkischer Staat: Germanischer Staat deutscher Nation 362. - Völkische Weltanschauung vgl. auch Nationalsozialismus Volksgemeinschaft: Lügenhafte Auffassung von V. 374 Volksgesundheit 278. - Volksversammlung s. Massenversammlung "Volksvertreter" 96, 113 Vorkriegs-Deutschland: Scheinblüte 360. - Vorwärts, führende sozialdemokratische Zeitung: das Zentralorgan aller Landesverräter 248 W Wagner, Richard: Komponist: Hitlers Begeisterung für W. 15 Weltanschauung: Mangel einer allgemein anerkannten W. 292. - Weltfinanz, internationale jüdische: Ziel 163, s. Börse, Judentum Weltherrschaftspläne des Judentums 343, 351. - Weltkrieg 172 f. - Wetterl‚, lothringischer Deutschenhetzer 297 Wien: Mittelpunkt Österreichs 74. - Wiener Weltpresse: Byzantinismus 56. - Wilhelm II., Deutscher Kaiser: Kampf des Reichstags gegen ihn 57. - Wilson, Präsident der Vereinigten Staaten 315 Wirtschaft: Verhältnis zum Staat 164. - "Wirtschaftsfriedliche Eroberung" als Grundsatz deutscher Vorkriegspolitik 158 Wissenserwerb eine Kunst 36 Wohnungselend in Wien 28 Wort, das gesprochene: Wirkung 116 Z Zeitung s. Presse. - Zeitungsleser, drei Gruppen 262 Zentrum: Hinneigung zu Österreich aus religiösen Gründen 176. - V Zinsknechtschaft: Brechung der Z. 232, 233. - Zusammenbruch, der deutsche, 1918: Ursachen 245. - Erster Band Eine Abrechnung Kapitel Im Elternhaus Als glückliche Bestimmung gilt es mir heute, daß das Schicksal mir zum Geburtsort gerade Braunau am Inn zuwies. Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint! Deutschösterreich muß wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande, und zwar nicht aus Gründen irgendwelcher wirtschaftlichen Erwägungen heraus. Nein, nein: Auch wenn diese Vereinigung, wirtschaftlich gedacht, gleichgültig, ja selbst wenn sie schädlich wäre, sie müßte dennoch stattfinden. Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich. Das deutsche Volk besitzt solange kein moralisches Recht zu kolonialpolitischer Tätigkeit, solange es nicht einmal seine eigenen Söhne in einem gemeinsamen Staat zu fassen vermag. Erst wenn des Reiches Grenze auch den letzten Deutschen umschließt, ohne mehr die Sicherheit seiner Ernährung bieten zu können, ersteht aus der Not des eigenen Volkes das moralische Recht zur Erwerbung fremden Grund und Bodens. Der Pflug ist dann das Schwert, und aus den Tränen des Krieges erwächst für die Nachwelt das tägliche Brot. So scheint mir dieses kleine Grenzstädtchen das Symbol einer großen Aufgabe zu sein. Allein auch noch in einer anderen Hinsicht ragt es mahnend in unsere heutige Zeit. Vor mehr als hundert Jahren hatte dieses unscheinbare Nest, als Schauplatz eines die ganze deutsche Nation ergreifenden tragischen Unglücks, den Vorzug, für immer in den Annalen wenigstens der deutschen Geschichte verewigt zu werden. In der Zeit der tiefsten Im Elternhaus Erniedrigung unseres Vaterlandes fiel dort für sein auch im Unglück heißgeliebtes Deutschland der Nürnberger Johannes Palm, bürgerlicher Buchhändler, verstockter "Nationalist" und Franzosenfeind. Hartnäckig hatte er sich geweigert, seine Mit-, besser Hauptschuldigen anzugeben. Also wie Leo Schlageter. Er wurde allerdings auch, genau wie dieser, durch einen Regierungsvertreter an Frankreich denunziert. Ein Augsburger Polizeidirektor erwarb sich diesen traurigen Ruhm und gab so das Vorbild neudeutscher Behörden im Reiche des Herrn Severing. In diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach, wohnten am Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts meine Eltern; 3 Der kleine Rädelsführer festigte den Entschluß, das Handwerk nun doch wieder aufzugeben, um etwas "Höheres" zu werden. Wenn einst dem armen Jungen im Dorfe der Herr Pfarrer als Inbegriff aller menschlich erreichbaren Höhe erschien, so nun in der den Gesichtskreis mächtig erweiternden Großstadt die Würde eines Staatsbeamten. Mit der ganzen Zähigkeit eines durch Not und Harm schon in halber Kindheit "alt" Gewordenen verbohrte sich der Siebzehnjährige in seinen neuen Entschluß - und wurde Beamter. Nach fast dreiundzwanzig Jahren, glaube ich, war das Ziel erreicht. Nun schien auch die Voraussetzung zu einem Gelübde erfüllt, das sich der arme Junge einst gelobt hatte, nämlich nicht eher in das väterliche Dorf zurückzukehren, als bis er etwas geworden wäre. Jetzt war das Ziel erreicht, allein aus dem Dorfe konnte sich niemand mehr des einstigen kleinen Knaben erinnern, und ihm selber war das Dorf fremd geworden. Da er endlich als Sechsundfünfzigjähriger in den Ruhestand ging, hätte er doch diese Ruhe keinen Tag als "Nichtstuer" zu ertragen vermocht. Er kaufte in der Nähe des oberösterreichischen Marktfleckens Lambach ein Gut, bewirtschaftete es und kehrte so im Kreislauf eines langen, arbeitsreichen Lebens wieder zum Ursprung seiner Väter zurück. In dieser Zeit bildeten sich mir wohl die ersten Ideale. Das viele Herumtollen im Freien, der weite Weg zur Schule, sowie ein besonders die Mutter manchmal mit bitterer Sorge erfüllender Umgang mit äußerst robusten Jungen, ließ mich zu allem anderen eher werden als zu einem Stubenhocker. Wenn ich mir also auch damals kaum ernstliche Gedanken über meinen einstigen Lebensberuf machte, so lag doch von vornherein meine Sympathie auf keinen Fall in der Linie des Lebenslaufes meines Vaters. Ich glaube, daß schon damals mein rednerisches Talent sich in Form mehr oder minder eindringlicher Auseinandersetzungen mit meinen Kameraden schulte. Ich war ein kleiner Rädelsführer geworden, der in der Schule leicht und damals auch sehr gut lernte, sonst aber ziemlich schwierig zu behandeln war. Da ich in meiner freien Zeit im Chorherrenstift Kriegsbegeisterung zu Lambach Gesangsunterricht erhielt, hatte ich beste Gelegenheit, mich oft und oft am feierlichen Prunke der äußerst glanzvollen kirchlichen Feste zu berauschen. Was war natürlicher, als daß, genau so wie einst dem Vater der kleine Herr Dorfpfarrer nun mir der Herr Abt als höchst erstrebenswertes Ideal erschien. Wenigstens zeitweise war dies der Fall Nachdem aber der Herr Vater bei seinem streitsüchtigen Jungen die rednerischen Talente aus begreiflichen Gründen nicht so zu schätzen vermochte, um aus ihnen etwas günstige Schlüsse für die Zukunft seines Sprößlings zu ziehen, konnte er natürlich auch ein Verständnis für solche Jugendgedanken nicht gewinnen. Besorgt beobachtete er wohl diesen Zwiespalt der Natur. Tatsächlich verlor sich denn auch die zeitweilige Sehnsucht nach diesem Berufe sehr bald, um nun meinem Temperamente besser entsprechenden Hoffnungen Platz zu machen. Beim Durchstöbern der väterlichen Bibliothek war ich über verschiedene Bücher militärischen Inhalts gekommen, darunter eine Volksausgabe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Es waren zwei Bände einer illustrierten Zeitschrift aus diesen Jahren, die nun meine Lieblingslektüre wurden. Nicht lange dauerte es, und der große Heldenkampf war mir zum größten inneren Erlebnis geworden. Von nun an schwärmte ich mehr und mehr für alles, was irgendwie mit Krieg oder doch mit Soldatentum zusammenhing. Aber auch in anderer Hinsicht sollte dies von Bedeutung für mich werden. Zum ersten Male wurde mir, wenn auch in noch so unklarer Vorstellung, die Frage aufgedrängt, ob und welch ein Unterschied denn zwischen den diese Schlachten schlagenden Deutschen und den anderen sei? Warum hat denn nicht auch Österreich mitgekämpft in diesem Kriege, warum nicht der Vater und nicht all die anderen auch? Sind wir denn nicht auch dasselbe wie eben alle anderen Deutschen? Gehören wir denn nicht alle zusammen? Dieses Problem begann zum ersten Male in meinem kleinen Gehirn zu 5 Berufs-"Wahl" wühlen. Mit innerem Neide mußte ich auf vorsichtige Fragen die Antwort vernehmen, daß nicht jeder Deutsche das Glück besitze, dem Reich Bismarcks anzugehören. Ich konnte dies nicht begreifen. * Ich sollte studieren. Aus meinem ganzen Wesen und noch mehr aus meinem Temperament glaubte der Vater den Schluß ziehen zu können, daß das humanistische Gymnasium einen Widerspruch zu meiner Veranlagung darstellen würde. Besser schien ihm eine Realschule zu entsprechen. Besonders wurde er in dieser Meinung noch bestärkt durch eine ersichtliche Fähigkeit zum Zeichnen; ein Gegenstand, der in den österreichischen Gymnasien seiner Überzeugung nach vernachlässigt wurde. Vielleicht war aber auch seine eigene schwere Lebensarbeit noch mitbestimmend, die ihn das humanistische Studium, als in seinen Augen unpraktisch, weniger schätzen ließ. Grundsätzlich war er aber der Willensmeinung, daß, so wie er, natürlich auch sein Sohn Staatsbeamter werden würde, ja müßte. Seine bittere Jugend ließ ihm ganz natürlich das später Erreichte um so größer erscheinen, als dieses doch nur ausschließliches Ergebnis seines eisernen Fleißes und eigener Tatkraft war. Es war der Stolz des Selbstgewordenen, der ihn bewog, auch seinen Sohn in die gleiche, wenn möglich natürlich höhere Lebensstellung bringen zu wollen, um so mehr, als er doch durch den Fleiß des eigenen Lebens seinem Kinde das Werden um so viel zu erleichtern vermochte. Der Gedanke einer Ablehnung dessen, was ihm einst zum Inhalt eines ganzen Lebens wurde, erschien ihm doch als unfaßbar. So war der Entschluß des Vaters einfach, bestimmt und klar, in seinen eigenen Augen selbstverständlich. Endlich wäre es seiner in dem bitteren Existenzkampfe eines ganzen Lebens herrisch gewordenen Natur aber auch ganz unerträglich vorgekommen, in solchen Dingen etwa die letzte Entscheidung dem in seinen Augen unerfahrenen und damit eben noch nicht verantwortlichen Jungen selber zu Niemals Staatsbeamter überlassen. Es würde dies auch als schlecht und verwerfliche Schwäche in der Ausübung der ihm zukommenden väterlichen Autorität und Verantwortung für das spätere Leben seines Kindes unmöglich zu seiner sonstigen Auffassung von Pflichterfüllung gepaßt haben. Und dennoch sollte es anders kommen. Zum ersten Male in meinem Leben wurde ich, als damals noch kaum Elfjähriger, in Opposition gedrängt. So hart und entschlossen auch der Vater sein mochte in der Durchsetzung einmal ins Auge gefaßter Pläne und Absichten, so verbohrt und widerspenstig war aber auch sein Junge in der Ablehnung eines ihm nicht oder nur wenig zusagenden Gedankens. Ich wollte nicht Beamter werden. Weder Zureden noch "ernste" Vorstellungen vermochten an diesem Widerstande etwas zu ändern. Ich wollte nicht Beamter werden, nein und nochmals nein. Alle Versuche, mir durch Schilderungen aus des Vaters eigenem Leben Liebe oder Lust zu diesem Berufe erwecken zu wollen, schlugen in das Gegenteil um. Mir wurde gähnend übel bei dem Gedanken, als unfreier Mann einst in einem Bureau sitzen zu dürfen; nicht Herr sein zu können der eigenen Zeit, sondern in auszufüllende Formulare den Inhalt eines ganzen Leben zwängen zu müssen. Welche Gedanken konnte dies auch erwecken bei einem Jungen, der wirklich alles andere war, aber nur nicht "brav" im landläufigen Sinne! Das lächerliche leichte Lernen in der Schule gab mir so viel freie Zeit, daß mich mehr die Sonne als das Zimmer sah. Wenn mir heute durch meine politischen Gegner in liebevoller Aufmerksamkeit mein Leben durchgeprüft wird bis in die Zeit meiner damaligen Jugend, um endlich mit Erleichterung feststellen zu können, welch unerträgliche Streiche dieser "Hitler" schon in seiner Jugend verübt hatte, so danke ich dem Himmel, daß er mir so auch jetzt noch etwas abgibt aus den Erinnerungen dieser glückseligen Zeit. Wiese und Wald waren damals der Fechtboden, auf dem die immer vorhandenen "Gegensätze" zur Austragung kamen. Sondern Kunstmaler Auch der nun erfolgende Besuch der Realschule konnte dem wenig Einhalt tun. Freilich mußte nun aber auch ein anderer Gegensatz ausgefochten werden. Solange der Absicht des Vaters, mich Staatsbeamter werden zu lassen, nur meine prinzipielle Abneigung zum Beamtenberuf an sich gegenüber stand, war der Konflikt leicht erträglich. Ich konnte solange auch mit meinen inneren Anschauungen etwas zurückhalten, brauchte ja nicht immer gleich zu widersprechen. Es genügte mein eigener fester Entschluß, später einmal nicht Beamter zu werden, um mich innerlich vollständig zu beruhigen. Diesen Entschluß besaß ich aber unabänderlich. Schwerer wurde die Frage, wenn dem Plane des Vaters ein eigener gegenübertrat. Schon mit zwölf Jahren traf dies ein. Wie es nun kam, weiß ich heute selber nicht, aber eines Tages war mir klar, daß ich Maler werden würde, Kunstmaler. Mein Talent zum Zeichnen stand allerdings fest, war es doch sogar mit ein Grund für den Vater, mich auf die Realschule zu schicken, allein nie und niemals hätte dieser daran gedacht, mich etwa beruflich in einer solchen Richtung ausbilden zu lassen. Im Gegenteil. Als ich zum ersten Male, nach erneuter Ablehnung des väterlichen Lieblingsgedankens, die Frage gestellt bekam, was ich denn nun eigentlich selber werden wollte und ziemlich unvermittelt mit meinem unterdessen fest gefaßten Entschluß herausplatzte, war der Vater zunächst sprachlos. "Maler? Kunstmaler?" Er zweifelte an meiner Vernunft, glaubte vielleicht auch nicht recht gehört oder verstanden zu haben. Nachdem er allerdings darüber aufgeklärt war und besonders die Ernsthaftigkeit meiner Absicht fühlte, warf er sich denn auch mit der ganzen Entschlossenheit seines Wesens dagegen. Seine Entscheidung war hier nur sehr einfach, wobei irgendein Abwägen meiner etwa wirklich vorhandenen Fähigkeiten gar nicht in Frage kommen konnte. "Kunstmaler, nein, solange ich lebe, niemals." Da nun aber sein Sohn eben mit verschiedenen sonstigen Eigenschaften Der junge Nationalist wohl auch die einer ähnlichen Starrheit geerbt haben mochte, so kam auch eine ähnliche Antwort zurück. Nur natürlich umgekehrt den Sinne nach. Auf beiden Seiten blieb es dabei bestehen. Der Vater verließ nicht sein "Niemals" und ich verstärkte mein "Trotzdem". Freilich hatte dies nun nicht sehr erfreuliche Folgen. Der alte Herr ward verbittert und, so sehr ich ihn auch liebt, ich auch. Der Vater verbat sich jede Hoffnung, daß ich jemals zum Maler ausgebildet werden würde. Ich ging einen Schritt weiter und erklärte, daß ich dann überhaupt nicht mehr lernen wollte. Da ich nun natürlich mit solchen "Erklärungen" doch den Kürzeren zog, insoferne der alte Herr jetzt seine Autorität rücksichtslos durchzusetzen sich anschickte, schwieg ich künftig, setzte meine Drohung aber in die Wirklichkeit um. Ich glaubte, daß, wenn der Vater erst den mangelnden Fortschritt in der Realschule sähe, er gut oder übel eben doch mich meinem erträumten Glück würde zugehen lassen. Ich weiß nicht, ob diese Rechnung gestimmt hätte. Sicher war zunächst nur mein ersichtlicher Mißerfolg in der Schule. Was mich freute, lernte ich, vor allem auch alles, was ich meiner Meinung nach später als Maler brauchen würde. Was mir in dieser Hinsicht bedeutungslos erschien, oder mich auch sonst nicht so anzog, sabotierte ich vollkommen. Meine Zeugnisse dieser Zeit stellten, je nach dem Gegenstande und seiner Einschätzung, immer Extreme dar. Neben "lobenswert" und "vorzüglich" "genügend" oder auch "nicht genügend". Am weitaus besten waren meine Leistungen in Geographie und mehr noch in Weltgeschichte. Die beiden Lieblingsfächer, in denen ich der Klasse vorschoß. Wenn ich nun nach so viel Jahren mir das Ergebnis dieser Zeit prüfend vor Augen halte, so sehe ich zwei hervorstechende Tatsachen als besonders bedeutungsvoll an: Erstens: ich wurde Nationalist. Zweitens: ich lernte Geschichte ihrem Sinne nach verstehen und begreifen. Die deutsche Ostmark Das alte Österreich war ein "Nationalitätenstaat". Der Angehörige des Deutschen Reiches konnte im Grunde genommen, wenigstens damals, gar nicht erfassen, welche Bedeutung dies Tatsache für das alltägliche Leben des einzelnen in einem solchen Staate besitzt. Man hatte sich nach dem wundervollen Siegeszuge der Heldenheere im Deutsch-Französischen Kriege allmählich immer mehr dem Deutschtum des Auslandes entfremdet, zum Teil dieses auch gar nicht mehr zu würdigen vermocht oder wohl auch nicht mehr gekonnt. Man verwechselte besonders in bezug auf den Deutschösterreicher nur zu leicht die verkommene Dynastie mit dem im Kerne urgesunden Volke. Man begriff nicht, daß, wäre nicht der Deutsche in Österreich wirklich noch von bestem Blute, er niemand die Kraft hätte besitzen können, einem 52-Millionen-Staate so sehr seinen Stempel aufzuprägen, daß ja gerade in Deutschland sogar die irrige Meinung entstehen konnte, Österreich wäre ein deutscher Staat. Ein Unsinn von schwersten Folgen, aber ein doch glänzendes Zeugnis für die zehn Millionen Deutschen der Ostmark. Von dem ewigen unerbittlichen Kampfe um die deutsche Sprache, um deutsche Schule und deutsches Wesen hatten nur ganz wenige Deutsche aus dem Reiche eine Ahnung. Erst heut, da diese traurige Not vielen Millionen unseres Volkes aus dem Reiche selber aufgezwungen ist, die unter fremder Herrschaft vom gemeinsamen Vaterlande träumen und, sich sehnend nach ihm, wenigstens das heilige Anspruchsrecht der Muttersprache zu erhalten versuchen, versteht man in größerem Kreise, was es heißt, für sein Volkstum kämpfen zu müssen. Nun vermag auch vielleicht der eine oder andere die Größe des Deutschtums aus der alten Ostmark des Reiches zu messen, das, nur auf sich selbst gestellt, Jahrhunderte lang das Reich erst nach Osten beschirmte, um endlich in zermürbendem Kleinkrieg die deutsche Sprachgrenze zu halten, in einer Zeit, da das Reich sich wohl für Kolonien interessierte, aber nicht für das eigene Fleisch und Blut vor seinen Türen. Wie überall und immer, in jeglichem Kampf, gab es Der Kampf ums Deutschtum auch im Sprachenkampf des alten Österreich drei Schichten: die Kämpfer, die Lauen und die Verräter. Schon in der Schule begann diese Siebung einzutreten. Denn es ist das Bemerkenswerte des Sprachenkampfes wohl überhaupt, daß seine Wellen vielleicht am schwersten gerade die Schule, als Pflanzstätte der kommenden Generation, umspülen. Um das Kind wird dieser Kampf geführt und an das Kind richtet sich der erste Appell dieses Streites: "Deutscher Knabe, vergiß nicht, daß du ein Deutscher bist", und "Mädchen, gedenke, daß du eine deutsche Mutter werden sollst". Wer der Jugend Seele kennt, der wird verstehen können, daß gerade sie am freudigsten die Ohren für einen solchen Kampfruf öffnet. In hunderterlei Formen pflegt sie diesen Kampf dann zu führen, auf ihre Art und mit ihren Waffen. Sie lehnt es ab, undeutsche Lieder zu singen, schwärmt um so mehr für deutsche Heldengröße, je mehr man versucht, sie dieser zu entfremden; sammelt an vom Munde abgesparten Hellern zu Kampfschatz der Großen; sie ist unglaublich hellhörig dem undeutschen Lehrer gegenüber und widerhaarig zugleich; trägt die verbotenen Abzeichen des eigenen Volkstums und ist glücklich, dafür bestraft oder gar geschlagen zu werden. Sie ist also im kleinen ein getreues Spiegelbild der Großen, nur oft in besserer und aufrichtigerer Gesinnung. Auch ich hatte so einst die Möglichkeit, schon in verhältnismäßig früher Jugend am Nationalitätenkampf des alten Österreich teilzunehmen. Für Südmark und Schulverein wurde da gesammelt, durch Kornblumen und schwarzrotgoldne Farben die Gesinnung betont, mit "Heil" begrüßt, und statt des Kaiserliedes lieber "Deutschland über alles" gesungen, trotz Verwarnung und Strafen. Der Junge ward dabei politisch geschult in einer Zeit, da der Angehörige seines sogenannten Nationalstaates meist noch von seinem Volkstum wenig mehr als die Sprache kennt. Daß ich damals schon nicht zu den Lauen gehört habe, versteht sich von selbst. In kurzer Zeit war ich zum fanatischen "Deutschnationalen" Der Kampf ums Deutschtum geworden, wobei dies allerdings nicht identisch ist mit unserem heutigen Parteibegriff. Diese Entwicklung machte bei mir sehr schnelle Fortschritte, so daß ich schon mit fünfzehn Jahren zum Verständnis des Unterschiedes von dynastischem "Patriotismus" und völkischem "Nationalismus" gelangte; und ich kannte damals schon nur mehr das letztere. Für den, der sich niemals die Mühe nahm, die inneren Verhältnisse der Habsburgermonarchie zu studieren, mag ein solcher Vorgang vielleicht nicht ganz erklärlich sein. Nur der Unterricht in der Schule über die Weltgeschichte mußte in diesem Staate schon den Keim zu dieser Entwicklung legen, gibt es doch eine spezifisch österreichische Geschichte nur in kleinsten Maße. Das Schicksal dieses Staates ist so verbunden, daß eine Scheidung der Geschichte etwa in eine deutsche und österreichische gar nicht denkbar erscheint. Ja, als endlich Deutschland sich in zwei Machtbereiche zu trennen begann, wurde eben diese Trennung zur deutschen Geschichte. Die zu Wien bewahrten Kaiserinsignien einstiger Reichsherrlichkeit scheinen als wundervoller Zauber weiter zu wirken als Unterpfand einer ewigen Gemeinschaft. Der elementare Aufschrei des deutschösterreichischen Volkes in den Tagen des Zusammenbruches des Habsburgerstaates nach Vereinigung mit dem deutschen Mutterland war ja nur das Ergebnis eines tief im Herzen des gesamten Volkes schlummernden Gefühls der Sehnsucht nach dieser Rückkehr in das nie vergessene Vaterhaus. Niemals aber würde dies erklärlich sein, wenn nicht die geschichtliche Erziehung des einzelnen Deutschösterreichers Ursache einer solchen allgemeinen Sehnsucht gewesen wäre. In ihr liegt ein Brunnen, der nie versiegt; der besonders in Zeiten des Vergessens als stiller Mahner, über augenblickliches Wohlleben hinweg, immer wieder durch die Erinnerung an die Vergangenheit von neuer Zukunft raunen wird. Der Unterricht über Weltgeschichte in den sogenannten Mittelschulen liegt nun freilich auch heute noch sehr im Geschichtsunterricht Argen. Wenige Lehrer begreifen, daß das Ziel gerade des geschichtlichen Unterrichtes nie und nimmer im Auswendiglernen und Herunterhaspeln geschichtlicher Daten und Ereignisse liegen kann; daß es nicht darauf ankommt, ob der Junge nun genau weiß, wann dies oder jene Schlacht geschlagen, ein Feldherr geboren wurde, oder gar ein (meistens sehr unbedeutender) Monarch die Krone seiner Ahnen auf das Haupt gesetzt erhielt. Nein, wahrhaftiger Gott, darauf kommt es wenig an. Geschichte "lernen" heißt die Kräfte suchen und finden, die als Ursachen zu jenen Wirkungen führen, die wir dann als geschichtliche Ereignisse vor unseren Augen sehen. Die Kunst des Lesens wie des Lernens ist auch hier: Wesentliches behalten, Unwesentliches vergessen. Es wurde vielleicht bestimmend für mein ganzes späteres Leben, daß mir das Glück einst gerade für Geschichte einen Lehrer gab, der es als einer der ganz wenigen verstand, für Unterricht und Prüfung diesen Gesichtspunkt zum beherrschenden zu machen. In meinem damaligen Professor Dr. Leopold Pötsch, an der Realschule zu Linz, war diese Forderung in wahrhaft idealer Weise verkörpert. Ein alter Herr, von ebenso gütigem als aber auch bestimmten Auftreten, vermocht er besonders durch eine blendende Beredsamkeit uns nicht nur zu fesseln, sondern wahrhaft mitzureißen. Noch heute erinnere ich mich mit leiser Rührung an den grauen Mann, der uns im Feuer seiner Darstellung manchmal die Gegenwart vergessen ließ, uns zurückzauberte in vergangene Zeiten und aus dem Nebelschleier der Jahrtausende die trockene geschichtliche Erinnerung zur lebendigen Wirklichkeit formte. Wir saßen dann da, oft zu heller Glut begeistert, mitunter sogar zu Tränen gerührt. Das Glück ward um so größer, als dieser Lehrer es verstand, aus Gegenwart Vergangenes zu erleuchten, aus Vergangenheit aber die Konsequenzen für die Gegenwart zu ziehen. So brachte er denn auch, mehr als sonst einer, Verständnis für all die Tagesprobleme, die uns damals in Atem hielten. Unser kleiner nationaler Fanatismus Geschichte Lieblingsfach ward ihm ein Mittel zu unserer Erziehung, indem er öfters als einmal an das nationale Ehrgefühl appellierend, dadurch allein uns Rangen schneller in Ordnung brachte, als dies durch andere Mittel je möglich gewesen wäre. Mir hat dieser Lehrer Geschichte zum Lieblingsfach gemacht. Freilich wurde ich, wohl ungewollt von ihm, auch damals schon zum jungen Revolutionär. Wer konnte auch unter einem solchen Lehrer deutsche Geschichte studieren, ohne zum Feinde des Staates zu werden, der durch sein Herrscherhaus in so unheilvoller Weise die Schicksale der Nation beeinflußte? Wer endlich konnte noch Kaisertreue bewahren einer Dynastie gegenüber, die in Vergangenheit und Gegenwart die Belange des deutschen Volkes immer und immer wieder um schmählicher eigener Vorteile wegen verriet? Wußten wir nicht als Jungen schon, daß dieser österreichische Staat keine Liebe zu uns, Deutschen, besaß, ja überhaupt gar nicht besitzen konnte? Die geschichtliche Erkenntnis des Wirkens des Habsburgerhauses wurde noch unterstützt durch die tägliche Erfahrung. Im Norden und im Süden fraß das fremde Völkergift am Körper unseres Volkstums, und selbst Wien wurde zusehends mehr und mehr zur undeutschen Stadt. Das "Erzhaus" tschechisierte, wo immer nur möglich, und es war die Faust der Göttin ewigen Rechtes und unerbittlicher Vergeltung, die den tödlichsten Feind des österreichischen Deutschtums, Erzherzog Franz Ferdinand, gerade durch die Kugeln fallen ließ, die er selber mithalf zu gießen. War er doch der Patronatsherr der von oben herunter betätigten Slawisierung Österreichs! Ungeheuer waren die Lasten, die man dem deutschen Volke zumutete, unerhört seine Opfer an Steuern und an Blut, und dennoch mußte jeder nicht gänzlich Blinde erkennen, daß dieses alles umsonst sein würde. Was uns dabei am meisten schmerzte, war noch die Tatsache, daß dieses ganze System moralisch gedeckt wurde durch das Bündnis mit Deutschland, womit der langsamen Ausrottung des |
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